Montag, 4. Oktober 2010

Gegnerische Streitkräfte

"Gegnerische Streitkräfte" ist die deutsche Übersetzung für "Opposing Force". In diese Bezeichnung wurden die Turban tragenden Kämpfer umbenannt, die im Mehrspieler-Modus des neuen Computer- und Konsolenspiels "Medal of Honor" auch durch den Spieler verkörpert werden dürfen. Was Heise Online bereits als "Entfernung" feiert, ist in Wahrheit lediglich ein schlichter Namenstausch.

Denn was die Sache brisant macht: Ursprünglich hatte man diese Gruppierung "Taliban" nennen wollen, denn der Titel spielt genau dort, wo man diese auch anzutreffen pflegt - wenn auch meist auf unangenehme Art und Weise. Damit wäre es möglich gewesen, wenn auch nur virtuell, in die Haut eines real existierenden Feindes zu schlüpfen, gegen den aktuell auf einem Kriegsschauplatz gekämpft wird.

Genau dagegen liefen jedoch die Politiker der dort im Einsatz befindlichen Westmächte Sturm, allen voran der britische Verteidigungsminister Liam Fox: "Es ist schwer zu glauben, dass irgendein Bürger unseres Landes ein so durchweg unbritisches Spiel kaufen möchte. Ich möchte allen Händlern nahelegen, Unterstützung für unsere Streitkräfte zu zeigen und dieses Produkt zu boykottieren."

Auch der deutsche Bundeswehrverbandssprecher Wilfried Stolze war um keinen Kommentar verlegen: "Es ist widerwärtig, so ein Spiel auf den Markt zu bringen, während in Afghanistan Menschen sterben".

So ganz mag man diesen Politikern ihre Gutmenschen-Empörung allerdings nicht abkaufen. Von ihrer altersmäßig ganz natürlichen Ablehnung jeder digitalen Kriegssimulation einmal abgesehen, dürfte ein nicht ganz unerhebliches Dilemma darin bestehen, dass man einheimischen Heranwachsenden besser keinerlei Möglichkeit dazu geben möchte, auch nur theoretisch in die Haut eines real existierenden Feindes zu schlüpfen, den man lieber bei jeder Gelegenheit als zutiefst unmenschlich, um nicht zu sagen bestialisch dargestellt haben möchte, um einen Krieg weiter zu rechtfertigen, der nach Ansicht jedes vernünftigen Militärs längst nicht mehr gewonnen werden kann.

Über den zweiten Weltkrieg gibt es interessanterweise Computerspiele wie Sand am Meer, und in den durchweg britischen oder amerikanischen Machwerken gehört es zum guten Ton, die ehemaligen deutschen Soldaten nach allen Regeln der digitalen Kunst zu vermöbeln (womit ich persönlich überhaupt kein Problem habe). Solange man diese dort nicht selbst verkörpern kann, hatte bislang kein politischer Vertreter der beteiligten Streitkräfte etwas einzuwenden, nicht einmal der deutschen.

Man mag zu bedenken geben, dass dies ja auch der historischen Realität entspricht. Die derzeitige Realität im Nahen Osten sieht allerdings auch nicht gerade nach einem unbefleckten Ruhmesblatt aus: Solange unsere Politiker dort lieber weitere (auch zivile) Menschenleben opfern als ihr Gesicht zu verlieren, steht ihnen jegliche Empörung äußerst schlecht zu ebendiesem.

Und sie sollten lieber alles in ihrer Macht stehende unternehmen, dies zu beenden, anstatt bei jeder Gelegenheit die propagandistische Zensurschere zu zücken, wenn sie an ihr eigenes Scheitern erinnert werden.

Mittwoch, 8. September 2010

Der epochale Atom-Meilerstein

"Das Spiel ist aus, wir geh'n nach Haus": Diesen Satz bekamen wir als Kleinkind immer dann zu hören, wenn eine Puppenbühne ihr Kasperle-Theater beendet hatte. Wie ein solches mutet es auch an, was uns die Bundesregierung derzeit als "epochalen" Erfolg verkaufen will: Den "Atomkonsens".

Die Handlung in Kurzform: Kasperl (Röttgen) und Seppl (Brüderle) müssen wieder einmal das Dorf (die Bundesrepublik) retten, weil eine böse Räuberbande (die Atomlobby) alles kurz und klein schlagen will, wenn man ihr keinen Sack voll Gold aushändigt (Gewinnsteigerung durch Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken).

Natürlich streiten Kasperl und Seppl darum, wie das am besten zu bewerkstelligen sei. Und weil sie nicht so recht einig werden wollen und das Kinderpublikum langsam ungeduldig wird, betritt plötzlich der böse Zauberer Sarrazin die Bühne, zusammen mit seinem feuerspeienden Drachen (Integration), und sorgt für mächtig Wirbel. Aber Ende gut, alles gut: Der Kasperl führt die Räuberbande hinters Licht und luchst ihr die Hälfte des Goldsacks wieder ab. Freudig schließt die Großmama (Merkel) ihren Kasperl in die Arme und alle (die Regierungskoalition) feiern, als gäbe es kein Morgen.

Ein Theater, so kann man es bestenfalls nennen, was die Bundesregierung und die Atomlobby aufgeführt haben, eher noch eine Schmierenkomödie, deren Drehbuch aus dem Kanzleramt stammt.

Und was die Bevölkerung dabei nicht alles so glauben soll: Ein CDU-Parteisoldat wie Röttgen entdeckt auf Regieanweisung plötzlich seine vermeintlich ökologische Seite und mimt den volksnahen Atomausstiegskämpfer. Die Atomlobby beginnt eine alberne Pro-Atom-Werbekampagne, die mit der Regierung abgesprochen gewesen sein dürfte, denn:

Die führenden Häupter der Atomlobby (wie beispielweise ein gewisser Josef Ackermann) gehen im Kanzleramt bekannterweise ungeniert ein und aus. Diese Leute haben es schlichtweg nicht nötig, auf eine solch plumpe, ungeschickte Weise irgendeinen Druck auszuüben. Viel wahrscheinlicher dürfte sein, dass man der Bundeskanzlerin damit die Möglichkeit geben wollte, nicht allzu offensichtlich als Handlangerin der Wirtschaft dazustehen.

Schade, dass durchaus nicht wenige auf dieses propagandistische Meisterstück hereinfallen werden. Denn eines muss man Frau Merkel lassen: Was die ehemalige FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda damals gelernt hat, das beherrscht sie immer noch aus dem Effeff.

Montag, 9. August 2010

Wer unter Euch ohne Sünde ist...

In den Medien wird (wieder einmal) die Diskussion breitgetreten, ob man in Deutschland nach amerikanischem Vorbild einen "Internet-Pranger" einführen sollte. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als die öffentliche Bekanntmachung des Namens und des Wohnsitzes von ehemaligen Schwerstkriminellen, für jedermann abrufbar im Internet.

Wer die Quellen recherchiert, stößt schnell auf die üblichen Verdächtigen: Bild, BamS und Glotze. Und damit auch auf die Klientel, die auf solcherart Populismus willig anspringt, ohne (wie immer) über die Folgen solcher Forderungen nachzudenken.

Lassen wir (unberechtigterweise) einmal den Resozialisierungsgedanken völlig außer Acht. Ignorieren wir das Recht eines Menschen, die Falschheit seines Lebenswandels zu erkennen und sich nachweisbar zu bessern. Nehmen wir ruhig einmal die (falsche) Mentalität des amerikanischen Rechtssystems gegeben, die da lautet: "Rache vor Gerechtigkeit, Vergeltung vor Wiedergutmachung".

Bleiben wir ruhig pragmatisch und überlegen wir, was denn geschähe, wenn ein solcher Internet-Pranger eingeführt wurde. Frei nach Kurt Maris "Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?"

Stellen Sie sich vor, sie hätten (oder haben) zwei kleine Kinder im Vorschulalter, und der lokale Internet-Pranger teilt mit, dass soeben zwei schwere Gewalttäter nach verbüßter Haft in das kleine Haus neben ihnen eingezogen sind. Wenn Sie sich dann wochenlang sorgenvoll gegrämt und in ihren wildesten Fantasien zwangsweise ausgemalt haben, was wann wo alles schlimmes passieren könnte, Ihre Kinder mehrmals täglich bei jeder denkbaren Unternehmung hingebracht und wieder abgeholt haben und innerlich auf dem Zahnfleisch kriechen, dann sind Sie recht schnell bei der Erkenntnis angelangt, dass Sie sich entweder selbst weiterhin kaputt machen oder aber nur zwei Möglichkeiten übrig bleiben: Entweder, Sie selbst ziehen um, oder Sie sorgen dafür, dass es diese unliebsamen Personen tun.

Wahrscheinlicher ist natürlich letzteres, und dass dies weder auf behördlichem noch legalem Wege zu bewerkstelligen ist, dürfte Ihnen spätestens nach ein paar Vorsprachen bei der örtlichen Polizei klar werden. Was auf diese Erkenntnis folgt, ist ebenso unabwendbar: Die Ruhe in der Nachbarschaft ist vorbei, und ob dem, was aufgebrachte Nachbarn dann seit Jahrtausenden tun, könnten unbeteiligte Beobachter durchaus zu der Schlussfolgerung gelangen, dass sich die Menschheit seit einer mindestens ebenso langen Zeit nicht wirklich weiterentwickelt hat.

Alles Utopie? In Heinsberg nicht, dort hat man bereits erlebt, was passiert, wenn die örtliche Polizei staatlich zugesicherte Grundrechte mit Füßen tritt. Das kann niemand wollen, der wenigstens halbwegs bei gesundem Menschenverstand ist.

Donnerstag, 29. Juli 2010

Dein Smartphone, das "Public Filofax"

Erinnert sich noch jemand an ein sogenanntes "Filofax"? Richtig, das waren doch vor einigen Jahren diese mehr oder weniger großen schwarzen Mappen, in die man Termine und Kontakte noch richtig per Hand eintragen konnte. Auf echtem Papier. Und das deshalb je nach Besitzer nach wenigen Wochen oder mehreren Monaten so aussah wie der bunte Inhalt einer Papiermülltonne: Aufgebläht, zerrupft und zerfleddert. Und in dem sich nur noch der Besitzer selbst zurechtfand, getreu dem Motto: "Wer Ordnung hält, ist nur zu faul zum Suchen."

Jetzt stellen Sie sich einmal vor, Sie hätten ihr damaliges Filofax (oder falls Sie keines hatten, ihren privaten Terminkalender und ihr privates Telefonbüchlein) einfach offen auf der Einkaufsmeile ihrer Heimatstadt ausgelegt: Jeder, der den Reißverschluss aufbekommt, darf hineinsehen, herumblättern und sich notieren, was er mag. Und kann Ihnen dann zusehen, wann Sie es benutzen, wie oft Sie es benutzen und was Sie so alles hineinschreiben. Und weil das alles so schön ist, tragen Sie ab sofort einen öffentlichen GPS-Peilsender mit sich herum, mit dem ihr Tagesablauf für jedermann nachverfolgbar ist: Wann Sie wo essen waren, und wann Sie die Arbeitsstätte betreten und verlassen haben.

Wem angesichts dieser Beschreibungen kein kalter Schauer über den Rücken herunterläuft, den wird es wohl auch nicht besonders stören, wenn ich jetzt behaupte, dass jede/r Besitzer/in eines Smartphones (egal ob Android oder Apple) genau diesem Szenario derzeit tagtäglich ausgesetzt ist. Das glauben Sie nicht?

Na, dann bemühen wir doch einmal bekannte Nachrichtenquellen, denen hoffentlich auch Sie Glauben schenken. Unter anderem der Spiegel hat bestätigt, dass beispielsweise das Apple iPhone bereits seit Markteinführung seinen exakten, meist durch die Satellitenortung GPS festgestellten Standort an Apple weiterleitet. Und dass es alle WLAN-Netzwerke in seiner Umgebung erfasst und weiterleitet, das eigene genauso wie den Hotspot Ihres Lieblingsitalieners, dessen Latte macchiato Sie so lieben. Soviel also zum GPS-Peilsender.

Übrigens war und ist es den Mobilfunk-Providern bereits seit Betrieb der Handynetze möglich, Positionsdaten über den Aufenthaltsort ihrer Kunden zu ermitteln, zu sammeln und zu speichern - was auch geschieht, und zwar verdachtsunabhängig. Tatsächlich werden diese Daten sogar seit geraumer Zeit als zusätzliche, weil auf Vorrat gespeicherte Indizien bei Gerichtsverhandlungen zugelassen. Ein GPS-Modul im Gerät ist allerdings noch wesentlich genauer, und diese Daten gehen den Geräte- und/oder Softwarehersteller im Grunde nichts an.

Nächster Schritt: Das offen herumliegende Filofax. Der renommierte IT-Fachverlag Heise berichtet davon, dass offenbar jedes ausreichend trickreich programmierte Zusatzprogramm (auch "App" genannt) die persönlichen Daten des Anwenders nicht nur auslesen, sondern ohne dessen Kenntnis und Zustimmung auch gleich an jeden beliebigen Empfänger übertragen kann.

Zwar versucht beispielsweise Apple durch gewisse Qualitätskontrollen zu verhindern, dass allzu auffälliger Schadcode bis zum Endanwender durchdringt. Leider aber läßt sich dieses Verfahren laut Heise.de austricksen, die existenten Konzepte sind offenbar suboptimal implementiert.

Das "App-Genom-Projekt" von John Hering und Kevin Mahaffey untersucht unter anderem, was beliebige Programme nach der Installation auf dem Smartphone alles dürfen. Und das Ergebnis ist erschreckend: Offenbar verdient die "Sandbox"-Umgebung, in der die Applikationen geschützt laufen sollen, ihren Namen nicht, und der Zugriff auf Terminkalender, Telefonbuch oder E-Mails ist nicht effektiv geschützt. Sicherheitsprobleme sind andererseits nichts wirklich Neues für Apple.

Der Umstand, worüber sich also jeder Smartphone-Benutzer im Klaren sein muss, ist die Tatsache, dass er einen vollwertigen Rechner am Gürtel trägt, der über ein performantes Datennetz rund um die Uhr mit dem Internet verbunden ist. Der über weniger Sicherheitsmechanismen verfügt als sein Arbeitsrechner, aber denselben Gefahren ausgesetzt ist. Und dass er keine Garantie darüber hat, dass die darauf gespeicherten Daten vor dem unbefugten Zugriff Dritter geschützt sind, sobald er eine Applikation darauf installiert: Egal, ob es sich um einen Bildschirmschoner, einen Staumeldungswarner oder ein Spiel handelt.

Sonntag, 25. Juli 2010

E-Mails...

Seit 1993 treibe ich mich im Internet herum (damals noch über CompuServe, einem 2.4 kbit/s Modem und einer analogen Telefonleitung), und zähle damit sicherlich zu den "Early Adopters": Menschen, die sehr begeisterungsfähig für neue Technologien sind.

Zu diesem Zeitpunkt lernte man das Internet noch als das kennen, was es eigentlich ist: Ein Kongolmerat aus unterschiedlichen Technologien wie beispielsweise Telnet, Usenet, FTP, WWW oder E-Mail. Ich frage mich, wieviele beliebige Passanten auf die Frage nach dem Internet lediglich den "Microsoft Internet Explorer" kennen und das WorldWideWeb auch sofort mit dem Internet gleichsetzen. Das wäre dann in etwa so, als würde man behaupten, es gäbe nur die einzige Sportart Fußball (auch wenn hiesige Zeitgenossen das durchaus mal gerne so sehen) und man könne ausschließlich mit Sony Fernsehern dabei zuschauen. Ich traue mich sogar zu wetten, dass drei Viertel aller Internetnutzer zum Beispiel FTP oder Usenet gar nicht kennen.

Als ich 1993 mit dem Internet anfing, steckte das WorldWideWeb noch in den Kinderschuhen und wurde mit dem Mosaic oder dem Netscape 1.1 Browser besurft. Die dazu nötige Netzwerk-Funktionalität musste man Windows 3.11 mittels "WinSock" erst nachrüsten, denn Microsoft hielt das Web noch für eine Randerscheinung und sollte sich erst sehr viel später die berühmten Browserkriege mit der Konkurrenz liefern. Grafiken auf Webseiten waren die Ausnahme und wurden nur in begründeten Fällen verwendet, denn 2400 Kilobit pro Sekunde, das bedeutete in diesem Fall mehrere Minuten Bildaufbau für eine Handvoll verpixelter Bildchen. An Videos war überhaupt nicht zu denken, es sei denn als Download Fingernagel-großer Diashows aus bunten Klötzchen.

E-Mails wurden seinerzeit ausschließlich mit Zusatzprogrammen wie "Pegasus Mail" empfangen, vom Server heruntergeladen und lokal auf dem Rechner gelagert. Es gab keine Online-Portale für E-Mails, die es erlaubt hätten, das eigene Postfach aus einem Browser heraus zu verwalten und seine elektronische Post schlichtweg auf dem Server zu belassen. Die damalige Maximalgröße von Postfächern war so begrenzt, dass dies gar nicht sinnvoll möglich gewesen wäre.

Dieser Unterschied wurde mir wieder einmal eklatant bewusst, als meine "beste Ehefrau aller" gerade mit ihrer Familie telefonierte: Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umsehe, gibt es fast nur noch Anwender, die ihr elektronisches Postfach über das Online-Portal ihres Mailproviders verwalten.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Es wird lediglich ein Internetbrowser benötigt, die Mails, Kontakte und Termine sind auch unterwegs und auch von fremden Computern aus zugreifbar und man hat keinen Verwaltungsaufwand oder Datenverlust, wenn der eigene Rechner mal nicht mehr will. Was umso häufiger auftritt, je komplexer Hardware und Betriebssystem werden. Also immer öfter.

Wie so oft bringen diese Vorteile aber auch Nachteile mit sich, die dem Laien erst dann offenbar werden, wenn er durch die Medien darauf hingewiesen wird.

Zunächst einmal sollte man sich darüber im klaren sein, dass kein Server (der Laie sagt Großrechner) und kein Client (der Laie sagt Computer) zu hundert Prozent einbruchssicher ist. Es ist nun zwar so, dass der E-Mail-Server meines Anbieters durch ausgebildete Administratoren besser abgesichert sein sollte, als Tante Hildegards Uralt-PC auf dem Spitzendeckchen, die jedesmal entsetzt anruft und einen Hacker-Angriff vermutet, wenn Microsoft Windows sie freundlich auf ein neues Sicherheitsupdate hinweist.

Andererseits sollte man sich im Klaren sein, dass mit dem persönlichen Postfach ein (je nach Lebensalter mehr oder weniger) großer Teil des eigenen Privatlebens auf einem fremden Server lagert. Ein Privatleben, das von neugierigen Administratoren ebenso wie von öffentlichen Organen jederzeit einsehbar bleibt. Offiziell zwar erst nach richterlichem Beschluss, aber "wo kein Kläger, da kein Richter" und nach vorherrschender Meinung von Exekutive und Judikative auch bald ohne richterlichem Segen. Und natürlich von Jedermann überall auf der Welt, der die oft leicht zu erratenden Passwörter (Geburtstag, Frau, Hund, Goldfisch) knackt und damit in den Vollbesitz einer digitalen Identität (Adressbuch, Termine, Mails) gelangt, die er weidlich ausnutzen kann.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wer seine E-Mails auf den Mail-Servern lagert, so bequem das auch sein mag, der lagert sein Privatleben auf fremdem Territorium und hat außer freundlichen Zusicherungen keine tatsächliche Kontrolle darüber, was mit diesen Daten geschieht. Denn zu diesen Daten gehören heutzutage nicht nur E-Mails, sondern längst auch Adressbücher und Terminkalender. Daher werde ich auch künftig meine Mails auf meinen Rechner herunterladen, meine persönlichen Termine offline lokal verwalten und auch meine persönlichen Kontakte nicht in fremde Hände geben. Und ich kann davon jederzeit eine Sicherungskopie herstellen, die nicht vom Geschäftserfolg meines Providers abhängig ist.

Wer sich damit vollständig sicher wähnt, hat die Rechnung allerdings immer noch ohne den Wirt gemacht: Betreiber (wie Google Mail beispielsweise) untersuchen die privaten Postfächer und damit alle E-Mails regelmäßig nach Stichworten und Anhaltspunkten für die persönlichen Vorlieben und Abneigungen ihrer Nutzer. Wer also seiner besten Freundin mailt, dass er gerade mit einer Erkältung im Bett liegt, bekommt auf wildfremden Seiten dann nicht nur Nasenspray-Werbung angezeigt, er muss auch damit rechnen, dass Google seine (echten oder vorgetäuschten) Wehwehchen kennt. Was bei der nächsten Klage vor dem Arbeitsgericht wegen ungerechtfertigter Kündigung durchaus ein interessantes Profil ergäbe.

Das GMail und andere Spezialisten ihren Mailverkehr zielgerichtet durchforsten, ist (hoffentlich) offiziell bekannt und das segnet man auch mit den Geschäftsbedingungen ab. Nur: Diese freiwillige Durchsuchung geschieht bereits beim Senden und Empfangen von Mails, betrifft auch eingehende Mails anderer Mailprovider und läßt sich auch dadurch nicht verhindern, dass man seine Mails regelmäßig herunterlädt und vom Mailserver löscht.

Nun ist dieses Verhalten (noch) die Ausnahme, aber man sollte sich durchaus bewusst sein, dass E-Mails nicht von Zauberhand und schon gar nicht über eine Direktverbindung ihre Empfänger erreichen. Eine E-Mail zu verschicken bedeutet, eine Postkarte zu verschicken: Jeder kann sie lesen. Und was noch schlimmer ist: Jeder kann draufschreiben, was er will - auch den Absender. Selbst bei einer Postkarte kann man anhand der Schrift noch in etwa feststellen, ob der Absender tatsächlich der ist, der er zu sein vorgibt. Das derzeitige unverschlüsselte E-Mail-System ist dahingehend sogar noch ein Rückschritt, wie nicht nur das Thema Passwort-"Phishing" eindrucksvoll beweist. Allerdings wurde es ursprünglich auch zur internen Kommunikation innerhalb eines abgesicherten staatlichen Netzes entworfen, und nicht etwa zur Abwicklung weltweiter Nachrichtenübermittlungen.

Wer wessen E-Mails mitliest, kann niemand vorhersagen: Das Konzept des eigentlichen Internets wurde von seinen Schöpfern als Militäreinrichtung ursprünglich wie ein Spinnennetz ausgelegt, das auch bei Ausfall (sprich Zerstörung) einer höheren Anzahl von Internet-Knoten noch funktionieren sollte. Wer einen Knotenpunkt betreiben möchte, der muss in erster Linie seine technische Qualifikation unter Beweis stellen.

Samstag, 17. Juli 2010

Empfang? Nebensächlich...

Um eines vorwegzuschicken: Ja, ich bin Besitzer eine iPhone 3GS. Ja, als ich neulich gewzungen war, auf mein altes 0815-Handy zurückzugreifen, hatte ich das Gefühl, von einem Maybach in einen Trabbi umzusteigen. Und fühlte einige Kilo Gewicht von mir abfallen, als ich wieder ein Touchscreen-Handy benutzen durfte.

Und nein, weder Apple noch das iPhone sind einzigartig: Mein nächstes Handy wird kein iPhone mehr werden. Warum? Weil die Konkurrenz mittlerweile so weit aufgeholt hat, dass ich dort nicht nur den gleichen enormen Bedienkomfort und die Funktionsvielfalt erhalte, sondern im Gegensatz zum iPhone auch ein offenes System, in dem mir niemand vorschreibt, mit welchem Programm ich mir welche zensierte Softwareauswahl auf das Gerät lade und was ich daran anschließen kann. Und das auch noch zu einem weit günstigeren Preis. Erstes Zwischenfazit: Technologischer Fortschritt ist gut, Herstellerabhängigkeit ist dumm, blinde Herstellergläubigkeit ist fatal.

Letztere Feststellung muss man auch machen, wenn man sich Steve Jobs Verhalten anlässlich der Empfangsproblematik des neuen iPhone 4 genauer ansieht. Wir erinnern uns:

Das vor wenigen Wochen neu erschienene iPhone 4 kam in die Negativschlagzeilen, als eine nicht unerhebliche Anzahl von Nutzern darüber klagte, dass der Funkempfang schlagartig schlechter bis unmöglich wurde, sobald man das Gerät in die linke Hand nahm.

Der erste Reaktionsreflex kam in einer E-Mail von Apple, die für allgemeine Heiterkeit sorgte: Das sei alles völlig normal, und man solle es eben nicht allzufest und schon gar nicht in der linken Hand halten. (Zwar wird die Authentizität dieser Mail mittlerweile infrage gestellt, allerdings kann es sich dabei auch um eine gezielte Gegenkampagne handeln.)

Der nächste Schritt von Apple kam ebenso bestimmt wie vorhersehbar: Jetzt sei es ein Berechnungsfehler im Betriebssystem, das dem Anwender lediglich eine falsche Empfangsstärkenanzeige vorgaukele. Alles nur ein Problem bis zum nächsten Update. Wer da allerdings wem etwas vorgaukeln wollte, war die große Frage, denn:

Erst als Verbraucherschützer den Nachweis erbrachten, dass dies gelogen war, gab Apple endlich klein bei und griff zu jener Reaktion, die eigentlich die allererste hätte sein müssen: Man nahm sich des Problems tatsächlich an, allerdings unter dem Fingerzeig auf andere Hersteller, die ähnliche Probleme hätten. Ganz schlechter Stil von einer Firma, die ihr Image entscheidend darauf aufbaut, besser als alle anderen zu sein und sich dies auch fürstlich entlohnen lässt.

Im derzeit letzten Schritt nun rudert man zurück und straft sich selbst Lügen: Man verspricht jedem iPhone 4 Besitzer eine kostenlose Gummi-Schutzhülle, die das Problem aufgrund ihrer Eigenschaft behebt, eine Isolationsschicht zwischen Hand und Gerätegehäuse sicherzustellen - genug, um die Empfangsprobleme deutlich zu reduzieren.

Im Netz kursiert das nicht ganz von der Hand zu weisende Gerücht, dass Apples Entwicklungsabteilung die gesamte Problematik vor allem deswegen verborgen blieb, weil sämtliche Tester ihre Geräte mit einer solchen Schutzhülle erhielten und diese auch nicht entfernen durften - aufgrund des Erlkönig-Prinzips. Letztendlich zeigen aber das Verhalten und die abschließende Lösung der Firma Apple deutlich, dass das innere Antennendesign des iPhone 4 schlichtweg suboptimal ausgelegt wurde: Ein Mobiltelefon, das nur mit Schutzhülle ordentlich funktioniert?

Steve Jobs hätte seinen Status als "Godfather of Usability", frei übersetzt als Gottvater der Benutzerfreundlichkeit, durchaus erhalten und sogar unter Beweis stellen können, wenn er erstens vor jedweder Reaktion zunächst eine gründliche Prüfung des Sachverhalts zugesichert hätte, und zweitens im Anschluss an die vielerorts durch Fachmagazine nachgewiesenen Probleme schlichtweg zugegeben hätte, dass seiner Entwicklungsabteilung ein eindeutiger Fauxpas unterlaufen ist und eine ordnungsgemäße und kostenlose Reparatur der ausgelieferten Geräte in Aussicht gestellt hätte.

Was stattdessen geschah, spricht nicht gerade für ein seriöses Geschäftsgebahren der Firma Apple, die mit ihren überteuerten Geräten vor allem Status und Coolness verkauft. Zwischen den Zeilen gelesen ist jedenfalls die aktuelle Reaktion des Hauses eine Bankrotterklärung für die Entwicklungsabteilung: Das gehypteste und vermeintlich coolste Stück Hardware ist in seiner neuesten Inkarnation schlichtweg eine Fehlkonstruktion. Anstatt ein Stück Bewunderung zu kaufen, wie es die Kunden von Apple gewohnt sind, erhält man ein hochglanzpoliertes, zwangsweise mit Gummi umhülltes Stück Peinlichkeit.

Summa summarum stärkt aber vor allem dieses für heutige Firmenpolitik typische Herumlarvieren (Verächtlichmachen-Beschwichtigen-Leugnen-Prüfen-Kleinbeigeben) nicht gerade das Ansehen von Apple - zumindest nicht in den Augen aufgeklärter und selbstsicherer Verbraucher, die zwar Top-Technik erwarten, deren Kaufurteil aber nicht maßgeblich durch das Logo eines Geräts bestimmt wird.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Die Reform, die keine war

Was wurde darum gestritten: FDP-Politiker Philipp Rösler, derzeitiger Bundesgesundheitsminister, hat nun endlich sein Vorhaben durchgeboxt, deutliche Veränderungen im Beitragssystem des staatlichen Gesundheitswesens durchzusetzen. Dabei hatte er sich Hilfestellung aus der Lobbyistengruppe gesichert.

Ich benutze hier absichtlich nicht das Wort "Reform". Denn nicht nur Wikitionary definiert dessen Bedeutung als "sukzessive, planmäßige und gewaltlose Umgestaltung und Verbesserung bestehender Verhältnisse". Und das ist bereits in zweierlei Hinsicht nicht zutreffend: Weder geht es um eine Verbesserung eines Systems (es sei denn, man empfindet den Beschluss simpler einseitiger Beitragserhöhungen als Fortschritt eines Systems), noch wurde die Umgestaltung so umgesetzt wie geplant - denn dann hätten wir eine lupenreine entsolidarisierte Kopfpauschale erlebt. Dagegen hatte die CSU noch deutliche Einwände gehabt.

Was nach erneuten Verhandlungen letztlich beschlossen wurde, sind reine Beitragserhöhungen, die künftig ausschließlich auf die Versicherten abgewälzt werden. Vor wenigen Tagen noch hörte sich das anders an, denn wenigstens auch die Arbeitgeber sollten einbezogen werden. Selbst dagegen aber hat die Wirtschaft zwischenzeitlich innerhalb weniger Tage wohl erfolgreich (hinter verschlossenen Türen) interveniert: Röslers letztendlicher Entwurf sieht Beitragserhöhungen jetzt nur noch für die Versicherten vor, ebenfalls entsolidarisiert unabhängig vom Einkommen. Dazu schwieg der Populismus der CSU.

Wohingegen alle großen Gesundheitsreformen der letzten Jahre auch den (manchmal misslungenen) Versuch darstellten, die explodierenden Kosten unseres Gesundheitssystems abzuschwächen und in geordnetere Bahnen zu lenken, ist der derzeitige Beschluss lediglich eine Bankrotterklärung gegenüber einem Moloch, der künftig allein vom Versicherten und ungebremst am Leben erhalten werden soll.

Wer dieses Beitragserhöhungs-Regelwerk als "Reform" verkaufen will, der sieht wohl auch die Tariferhöhungen seines Handy-Providers oder gar die reine Inflation als Fortschritt an. Stattdessen wirft diese Beschlusslage ein beschämendes Bild auf eine Partei, die zu Zeiten eines Hans-Dietrich Genscher noch als wirtschaftskompetent galt. Vielmehr bestätigt sie jenes Vorurteil in der Bevölkerung, das die Politik als Erfüllungsgehilfe der Wirtschaft sieht, anstatt sie zu regulieren. Die Kompetenz der heutigen FDP Jungmanager scheint sich bislang allenfalls auf das Durchreichen der Gestaltungswünsche ihrer Klientel zu beschränken: Der Wirtschaft.

Wir dürfen also gespannt sein, mit welchen Argumenten uns die üblichen FDP-Demagogen beim nächsten Polit-Talk ihr Versagen verkaufen werden. "Mehr Brutto vom Netto" wird wohl nicht dazu gehören, obwohl es in dieser absichtlichen Verdrehung den Nagel auf den Kopf träfe.