Mittwoch, 7. Juli 2010

Die Reform, die keine war

Was wurde darum gestritten: FDP-Politiker Philipp Rösler, derzeitiger Bundesgesundheitsminister, hat nun endlich sein Vorhaben durchgeboxt, deutliche Veränderungen im Beitragssystem des staatlichen Gesundheitswesens durchzusetzen. Dabei hatte er sich Hilfestellung aus der Lobbyistengruppe gesichert.

Ich benutze hier absichtlich nicht das Wort "Reform". Denn nicht nur Wikitionary definiert dessen Bedeutung als "sukzessive, planmäßige und gewaltlose Umgestaltung und Verbesserung bestehender Verhältnisse". Und das ist bereits in zweierlei Hinsicht nicht zutreffend: Weder geht es um eine Verbesserung eines Systems (es sei denn, man empfindet den Beschluss simpler einseitiger Beitragserhöhungen als Fortschritt eines Systems), noch wurde die Umgestaltung so umgesetzt wie geplant - denn dann hätten wir eine lupenreine entsolidarisierte Kopfpauschale erlebt. Dagegen hatte die CSU noch deutliche Einwände gehabt.

Was nach erneuten Verhandlungen letztlich beschlossen wurde, sind reine Beitragserhöhungen, die künftig ausschließlich auf die Versicherten abgewälzt werden. Vor wenigen Tagen noch hörte sich das anders an, denn wenigstens auch die Arbeitgeber sollten einbezogen werden. Selbst dagegen aber hat die Wirtschaft zwischenzeitlich innerhalb weniger Tage wohl erfolgreich (hinter verschlossenen Türen) interveniert: Röslers letztendlicher Entwurf sieht Beitragserhöhungen jetzt nur noch für die Versicherten vor, ebenfalls entsolidarisiert unabhängig vom Einkommen. Dazu schwieg der Populismus der CSU.

Wohingegen alle großen Gesundheitsreformen der letzten Jahre auch den (manchmal misslungenen) Versuch darstellten, die explodierenden Kosten unseres Gesundheitssystems abzuschwächen und in geordnetere Bahnen zu lenken, ist der derzeitige Beschluss lediglich eine Bankrotterklärung gegenüber einem Moloch, der künftig allein vom Versicherten und ungebremst am Leben erhalten werden soll.

Wer dieses Beitragserhöhungs-Regelwerk als "Reform" verkaufen will, der sieht wohl auch die Tariferhöhungen seines Handy-Providers oder gar die reine Inflation als Fortschritt an. Stattdessen wirft diese Beschlusslage ein beschämendes Bild auf eine Partei, die zu Zeiten eines Hans-Dietrich Genscher noch als wirtschaftskompetent galt. Vielmehr bestätigt sie jenes Vorurteil in der Bevölkerung, das die Politik als Erfüllungsgehilfe der Wirtschaft sieht, anstatt sie zu regulieren. Die Kompetenz der heutigen FDP Jungmanager scheint sich bislang allenfalls auf das Durchreichen der Gestaltungswünsche ihrer Klientel zu beschränken: Der Wirtschaft.

Wir dürfen also gespannt sein, mit welchen Argumenten uns die üblichen FDP-Demagogen beim nächsten Polit-Talk ihr Versagen verkaufen werden. "Mehr Brutto vom Netto" wird wohl nicht dazu gehören, obwohl es in dieser absichtlichen Verdrehung den Nagel auf den Kopf träfe.

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