Montag, 9. August 2010

Wer unter Euch ohne Sünde ist...

In den Medien wird (wieder einmal) die Diskussion breitgetreten, ob man in Deutschland nach amerikanischem Vorbild einen "Internet-Pranger" einführen sollte. Dahinter verbirgt sich nicht weniger als die öffentliche Bekanntmachung des Namens und des Wohnsitzes von ehemaligen Schwerstkriminellen, für jedermann abrufbar im Internet.

Wer die Quellen recherchiert, stößt schnell auf die üblichen Verdächtigen: Bild, BamS und Glotze. Und damit auch auf die Klientel, die auf solcherart Populismus willig anspringt, ohne (wie immer) über die Folgen solcher Forderungen nachzudenken.

Lassen wir (unberechtigterweise) einmal den Resozialisierungsgedanken völlig außer Acht. Ignorieren wir das Recht eines Menschen, die Falschheit seines Lebenswandels zu erkennen und sich nachweisbar zu bessern. Nehmen wir ruhig einmal die (falsche) Mentalität des amerikanischen Rechtssystems gegeben, die da lautet: "Rache vor Gerechtigkeit, Vergeltung vor Wiedergutmachung".

Bleiben wir ruhig pragmatisch und überlegen wir, was denn geschähe, wenn ein solcher Internet-Pranger eingeführt wurde. Frei nach Kurt Maris "Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin und keiner ginge, um zu sehen, wohin wir kämen, wenn wir gingen?"

Stellen Sie sich vor, sie hätten (oder haben) zwei kleine Kinder im Vorschulalter, und der lokale Internet-Pranger teilt mit, dass soeben zwei schwere Gewalttäter nach verbüßter Haft in das kleine Haus neben ihnen eingezogen sind. Wenn Sie sich dann wochenlang sorgenvoll gegrämt und in ihren wildesten Fantasien zwangsweise ausgemalt haben, was wann wo alles schlimmes passieren könnte, Ihre Kinder mehrmals täglich bei jeder denkbaren Unternehmung hingebracht und wieder abgeholt haben und innerlich auf dem Zahnfleisch kriechen, dann sind Sie recht schnell bei der Erkenntnis angelangt, dass Sie sich entweder selbst weiterhin kaputt machen oder aber nur zwei Möglichkeiten übrig bleiben: Entweder, Sie selbst ziehen um, oder Sie sorgen dafür, dass es diese unliebsamen Personen tun.

Wahrscheinlicher ist natürlich letzteres, und dass dies weder auf behördlichem noch legalem Wege zu bewerkstelligen ist, dürfte Ihnen spätestens nach ein paar Vorsprachen bei der örtlichen Polizei klar werden. Was auf diese Erkenntnis folgt, ist ebenso unabwendbar: Die Ruhe in der Nachbarschaft ist vorbei, und ob dem, was aufgebrachte Nachbarn dann seit Jahrtausenden tun, könnten unbeteiligte Beobachter durchaus zu der Schlussfolgerung gelangen, dass sich die Menschheit seit einer mindestens ebenso langen Zeit nicht wirklich weiterentwickelt hat.

Alles Utopie? In Heinsberg nicht, dort hat man bereits erlebt, was passiert, wenn die örtliche Polizei staatlich zugesicherte Grundrechte mit Füßen tritt. Das kann niemand wollen, der wenigstens halbwegs bei gesundem Menschenverstand ist.

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