Samstag, 17. Juli 2010

Empfang? Nebensächlich...

Um eines vorwegzuschicken: Ja, ich bin Besitzer eine iPhone 3GS. Ja, als ich neulich gewzungen war, auf mein altes 0815-Handy zurückzugreifen, hatte ich das Gefühl, von einem Maybach in einen Trabbi umzusteigen. Und fühlte einige Kilo Gewicht von mir abfallen, als ich wieder ein Touchscreen-Handy benutzen durfte.

Und nein, weder Apple noch das iPhone sind einzigartig: Mein nächstes Handy wird kein iPhone mehr werden. Warum? Weil die Konkurrenz mittlerweile so weit aufgeholt hat, dass ich dort nicht nur den gleichen enormen Bedienkomfort und die Funktionsvielfalt erhalte, sondern im Gegensatz zum iPhone auch ein offenes System, in dem mir niemand vorschreibt, mit welchem Programm ich mir welche zensierte Softwareauswahl auf das Gerät lade und was ich daran anschließen kann. Und das auch noch zu einem weit günstigeren Preis. Erstes Zwischenfazit: Technologischer Fortschritt ist gut, Herstellerabhängigkeit ist dumm, blinde Herstellergläubigkeit ist fatal.

Letztere Feststellung muss man auch machen, wenn man sich Steve Jobs Verhalten anlässlich der Empfangsproblematik des neuen iPhone 4 genauer ansieht. Wir erinnern uns:

Das vor wenigen Wochen neu erschienene iPhone 4 kam in die Negativschlagzeilen, als eine nicht unerhebliche Anzahl von Nutzern darüber klagte, dass der Funkempfang schlagartig schlechter bis unmöglich wurde, sobald man das Gerät in die linke Hand nahm.

Der erste Reaktionsreflex kam in einer E-Mail von Apple, die für allgemeine Heiterkeit sorgte: Das sei alles völlig normal, und man solle es eben nicht allzufest und schon gar nicht in der linken Hand halten. (Zwar wird die Authentizität dieser Mail mittlerweile infrage gestellt, allerdings kann es sich dabei auch um eine gezielte Gegenkampagne handeln.)

Der nächste Schritt von Apple kam ebenso bestimmt wie vorhersehbar: Jetzt sei es ein Berechnungsfehler im Betriebssystem, das dem Anwender lediglich eine falsche Empfangsstärkenanzeige vorgaukele. Alles nur ein Problem bis zum nächsten Update. Wer da allerdings wem etwas vorgaukeln wollte, war die große Frage, denn:

Erst als Verbraucherschützer den Nachweis erbrachten, dass dies gelogen war, gab Apple endlich klein bei und griff zu jener Reaktion, die eigentlich die allererste hätte sein müssen: Man nahm sich des Problems tatsächlich an, allerdings unter dem Fingerzeig auf andere Hersteller, die ähnliche Probleme hätten. Ganz schlechter Stil von einer Firma, die ihr Image entscheidend darauf aufbaut, besser als alle anderen zu sein und sich dies auch fürstlich entlohnen lässt.

Im derzeit letzten Schritt nun rudert man zurück und straft sich selbst Lügen: Man verspricht jedem iPhone 4 Besitzer eine kostenlose Gummi-Schutzhülle, die das Problem aufgrund ihrer Eigenschaft behebt, eine Isolationsschicht zwischen Hand und Gerätegehäuse sicherzustellen - genug, um die Empfangsprobleme deutlich zu reduzieren.

Im Netz kursiert das nicht ganz von der Hand zu weisende Gerücht, dass Apples Entwicklungsabteilung die gesamte Problematik vor allem deswegen verborgen blieb, weil sämtliche Tester ihre Geräte mit einer solchen Schutzhülle erhielten und diese auch nicht entfernen durften - aufgrund des Erlkönig-Prinzips. Letztendlich zeigen aber das Verhalten und die abschließende Lösung der Firma Apple deutlich, dass das innere Antennendesign des iPhone 4 schlichtweg suboptimal ausgelegt wurde: Ein Mobiltelefon, das nur mit Schutzhülle ordentlich funktioniert?

Steve Jobs hätte seinen Status als "Godfather of Usability", frei übersetzt als Gottvater der Benutzerfreundlichkeit, durchaus erhalten und sogar unter Beweis stellen können, wenn er erstens vor jedweder Reaktion zunächst eine gründliche Prüfung des Sachverhalts zugesichert hätte, und zweitens im Anschluss an die vielerorts durch Fachmagazine nachgewiesenen Probleme schlichtweg zugegeben hätte, dass seiner Entwicklungsabteilung ein eindeutiger Fauxpas unterlaufen ist und eine ordnungsgemäße und kostenlose Reparatur der ausgelieferten Geräte in Aussicht gestellt hätte.

Was stattdessen geschah, spricht nicht gerade für ein seriöses Geschäftsgebahren der Firma Apple, die mit ihren überteuerten Geräten vor allem Status und Coolness verkauft. Zwischen den Zeilen gelesen ist jedenfalls die aktuelle Reaktion des Hauses eine Bankrotterklärung für die Entwicklungsabteilung: Das gehypteste und vermeintlich coolste Stück Hardware ist in seiner neuesten Inkarnation schlichtweg eine Fehlkonstruktion. Anstatt ein Stück Bewunderung zu kaufen, wie es die Kunden von Apple gewohnt sind, erhält man ein hochglanzpoliertes, zwangsweise mit Gummi umhülltes Stück Peinlichkeit.

Summa summarum stärkt aber vor allem dieses für heutige Firmenpolitik typische Herumlarvieren (Verächtlichmachen-Beschwichtigen-Leugnen-Prüfen-Kleinbeigeben) nicht gerade das Ansehen von Apple - zumindest nicht in den Augen aufgeklärter und selbstsicherer Verbraucher, die zwar Top-Technik erwarten, deren Kaufurteil aber nicht maßgeblich durch das Logo eines Geräts bestimmt wird.

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