Montag, 4. Oktober 2010

Gegnerische Streitkräfte

"Gegnerische Streitkräfte" ist die deutsche Übersetzung für "Opposing Force". In diese Bezeichnung wurden die Turban tragenden Kämpfer umbenannt, die im Mehrspieler-Modus des neuen Computer- und Konsolenspiels "Medal of Honor" auch durch den Spieler verkörpert werden dürfen. Was Heise Online bereits als "Entfernung" feiert, ist in Wahrheit lediglich ein schlichter Namenstausch.

Denn was die Sache brisant macht: Ursprünglich hatte man diese Gruppierung "Taliban" nennen wollen, denn der Titel spielt genau dort, wo man diese auch anzutreffen pflegt - wenn auch meist auf unangenehme Art und Weise. Damit wäre es möglich gewesen, wenn auch nur virtuell, in die Haut eines real existierenden Feindes zu schlüpfen, gegen den aktuell auf einem Kriegsschauplatz gekämpft wird.

Genau dagegen liefen jedoch die Politiker der dort im Einsatz befindlichen Westmächte Sturm, allen voran der britische Verteidigungsminister Liam Fox: "Es ist schwer zu glauben, dass irgendein Bürger unseres Landes ein so durchweg unbritisches Spiel kaufen möchte. Ich möchte allen Händlern nahelegen, Unterstützung für unsere Streitkräfte zu zeigen und dieses Produkt zu boykottieren."

Auch der deutsche Bundeswehrverbandssprecher Wilfried Stolze war um keinen Kommentar verlegen: "Es ist widerwärtig, so ein Spiel auf den Markt zu bringen, während in Afghanistan Menschen sterben".

So ganz mag man diesen Politikern ihre Gutmenschen-Empörung allerdings nicht abkaufen. Von ihrer altersmäßig ganz natürlichen Ablehnung jeder digitalen Kriegssimulation einmal abgesehen, dürfte ein nicht ganz unerhebliches Dilemma darin bestehen, dass man einheimischen Heranwachsenden besser keinerlei Möglichkeit dazu geben möchte, auch nur theoretisch in die Haut eines real existierenden Feindes zu schlüpfen, den man lieber bei jeder Gelegenheit als zutiefst unmenschlich, um nicht zu sagen bestialisch dargestellt haben möchte, um einen Krieg weiter zu rechtfertigen, der nach Ansicht jedes vernünftigen Militärs längst nicht mehr gewonnen werden kann.

Über den zweiten Weltkrieg gibt es interessanterweise Computerspiele wie Sand am Meer, und in den durchweg britischen oder amerikanischen Machwerken gehört es zum guten Ton, die ehemaligen deutschen Soldaten nach allen Regeln der digitalen Kunst zu vermöbeln (womit ich persönlich überhaupt kein Problem habe). Solange man diese dort nicht selbst verkörpern kann, hatte bislang kein politischer Vertreter der beteiligten Streitkräfte etwas einzuwenden, nicht einmal der deutschen.

Man mag zu bedenken geben, dass dies ja auch der historischen Realität entspricht. Die derzeitige Realität im Nahen Osten sieht allerdings auch nicht gerade nach einem unbefleckten Ruhmesblatt aus: Solange unsere Politiker dort lieber weitere (auch zivile) Menschenleben opfern als ihr Gesicht zu verlieren, steht ihnen jegliche Empörung äußerst schlecht zu ebendiesem.

Und sie sollten lieber alles in ihrer Macht stehende unternehmen, dies zu beenden, anstatt bei jeder Gelegenheit die propagandistische Zensurschere zu zücken, wenn sie an ihr eigenes Scheitern erinnert werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen